Embrace the chaos

Führungsposition und Familienleben sind Roya noch nicht genug: Sie ist Digital Fraud Defense Lead, zweifache Mutter und saniert außerdem noch ihr Haus. Wie sie alles unter einen Hut bekommt, ohne die Nerven zu verlieren?

Du bist schon einige Jahre bei der ING – wie ist Dein Weg bei uns gewesen? Und in welcher Position arbeitest Du gerade?

Ich bin als Product Owner bei der ING gestartet, zunächst für das Thema Login & Autorisierung unseres Internetbankings. Als Central Product Owner habe ich dann den Bereich Access & Trust verantwortet – zusätzlich zu meiner Rolle als Product Owner für Login & Autorisierung. Nach meiner ersten Elternzeit habe ich die Chance bekommen, als Roadmanagerin im Tribe Digital Leadership zu starten und habe mich dort um Themen wie Portfoliomanagement, Priorisierung des Tribebacklogs, sowie interne und externe Kommunikation der übergreifenden Themen gekümmert. Als ich aus meiner zweiten Elternzeit zurückkam, konnte ich sechs Monate in Amsterdam im Tribe Digital & CI arbeiten. Dort habe ich das Programm „Future of Mobile“ aufgesetzt und gestartet. Bei diesem Programm ging es darum, die Banking App, die nun schon seit ein paar Jahren auf dem Markt ist, zukunftssicher aufzustellen. Technologische Modularisierung und Flexibilität sind hierbei ebenso entscheidend wie ein überdurchschnittliches individuelles Kundenerlebnis. Seit Anfang 2023 bin ich nun zurück in Deutschland und verantworte im Bereich Digital Leadership alle Themen rund um digitalen Betrug und vor allem um die Betrugsabwehr. Eine Aufgabe, die mich, aufgrund ihrer Komplexität und gesellschaftlicher Relevanz begeistert und immer wieder vor neue Herausforderungen stellt.

Erzähl uns etwas über Deine Familie – wie alt sind Deine Kinder?

Meine beiden Jungs sind zwei und fünf Jahre alt und sind richtige Energiebündel. Es wird nie langweilig bei uns! Mitten in der Pandemie haben mein Mann und ich den Entschluss gefasst, aufs Land zu ziehen. Seitdem genießen wir das „ruhige“ Landleben, doch mit unseren zwei Rabauken und einer Haussanierung in Eigenregie gibt es trotzdem immer was zu tun. 😉

Wie schaffst Du es, Deine Familie und den Job unter einen Hut zu bekommen?

Gute Frage! Das gelingt mir manchmal ganz gut, aber manchmal auch gar nicht. Ich habe festgestellt, dass es eine Illusion ist, allen und allem immer gleichermaßen gerecht werden zu können. Zum Glück muss ich Alltag und Familie nicht alleine stemmen: Wir haben für beide Jungs eine wirklich großartige Ganztagsbetreuung. Darüber hinaus stimmen mein Mann und ich berufliche Termine eng miteinander ab. So können wir beide produktiv unseren Jobs nachgehen – aber die Kinder kommen dabei nicht zu kurz. Wir leben einfach nach dem Motto: „Embrace the Chaos“. 😊

Hast Du ein paar Tipps für Eltern, um die Work-Life-Balance im Griff zu behalten?

Ich denke, man sollte sich als Paar schon vor der Geburt eines Kindes überlegen, wie man die sogenannte Care-Arbeit am besten aufteilen kann. Für uns haben Kinderbetreuung und Arbeit den gleichen Stellenwert.   

Im Alltag versuchen wir uns beide außerdem Auszeiten zu ermöglichen, um zum Sport zu gehen oder einfach mal etwas alleine zu unternehmen. Das hilft, die Akkus aufzuladen und sich im Familienalltag nicht zu verlieren. Das Wochenende verbringen wir dafür sehr intensiv alle zusammen mit coolen Aktivitäten oder einfach auf der Couch.

Wie teilst Du Deine Arbeitszeit ein bzw. wie kombinierst Du sie mit Schul- und Kindergartenzeiten?

Bis zum späten Nachmittag sind die Jungs in der Krippe bzw. im Kindergarten. Die Randzeiten zum Abend hin teilen mein Mann und ich uns auf oder holen uns punktuell Unterstützung von einem Babysitter bzw. von den Großeltern. Zusätzliche Termine und Aufgaben versuchen wir bestmöglich aufzuteilen oder outzusourcen, wo es Sinn macht. Mein Mann und ich haben darüber hinaus das Glück, dass wir beide flexibel arbeiten können. Unser hybrides Arbeitsmodell ermöglicht es uns, dass wir nicht jeden Tag wertvolle Zeit mit dem Pendeln ins Büro verlieren. Wenn die Kinder einen von uns am Nachmittag brauchen, können wir mit bestimmten Aufgaben auch auf die Abendstunden ausweichen. Auch wenn es nicht die Regel ist, entlastet uns diese Option zur Einteilung der Arbeitszeit enorm.

Bei der ING gibt es verschiedene Initiativen und Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Welche Benefits haben Dir bislang geholfen, Dein Privat- und Berufsleben miteinander zu vereinbaren?

Auf Platz 1 der Benefits steht für mich zweifelsfrei der hybride Way of Working – also die Möglichkeit, nach Absprache remote arbeiten zu können und auch die Arbeitszeiten in einem gewissen Rahmen flexibel gestalten zu können. Auch den Kinderbetreuungszuschuss finde ich super. Im Arbeitsalltag ist die offene Kommunikation mit meiner Führungskraft und die transparente Zusammenarbeit im Tribe mit den Kolleg*innen sehr wertvoll – auch wenn das kein vertraglicher „Benefit“ ist. 😉

Wir haben gehört, diesen Sommer hast Du mit Flexi-Time einige Wochen die Arbeit ruhen lassen, um Zeit mit Deiner Familie zu verbringen – wie war das für Dich?

In der ersten Woche ist es mir echt schwergefallen loszulassen! Das können meine Kolleg*innen sicher bestätigen. 😊 Aber nach und nach konnte ich abschalten. Ich wusste, dass mein Projekt in guten Händen ist und mein Team mich super vertreten wird.

Wie haben Deine Kolleg*innen auf Deine Flexi-Time reagiert?

Einige waren anfangs skeptisch, ob die Projekte und Themen reibungslos weiterlaufen können, wenn ich nicht da bin. Die meisten haben sich aber sehr für mich gefreut. Ich habe den Eindruck, dass sich das Konzept in der Bank bereits weitestgehend etabliert hat.

Viele Frauen glauben, sie müssten sich zwischen Familiengründung und einer erfolgreichen Karriere entscheiden – wie stehst Du dazu?

Bei der Familiengründung muss man viele Entscheidungen treffen, aber die Karriere aufgeben, sollte dabei nicht zur Debatte stehen müssen. Weder Frauen noch Männer sollten sich dazu gezwungen fühlen. Als Paar muss man sich darüber im Klaren sein, welche neuen Verantwortungen und Aufgaben auf einen zukommen und wie man diese aufteilen kann.  

Es heißt nicht umsonst „es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“; es gibt so viele Möglichkeiten, sich ein Supportsystem aufzubauen, sofern man das möchte. Natürlich hat nicht jeder die gleichen Voraussetzungen – aber die hat man auch im Job nicht, wenn wir ehrlich sind. Großeltern oder generell Familie sind eine super Option, aber auch bezahlte Babysitter, ein Au-pair oder Ähnliches können diesen Support bieten.  

In Deutschland herrscht meiner Meinung nach immer noch ein sehr konservatives Familienbild: Die Mutter geht in Elternzeit (später dann meist in Teilzeit) und ist für die Kinder verantwortlich, während der Vater seine Karriere verfolgt. Daran ist auch grundsätzlich nichts auszusetzen, sofern man sich als Paar bewusst dafür entscheidet. Frauen, die ihre Karriere auch als Mutter wieder aufnehmen möchten und Hilfe bei der Betreuung in Anspruch nehmen, werden schnell verurteilt – Stichwort „Rabenmutter“. Von diesem Familienbild sollten wir uns als Gesellschaft lösen. Denn auf dem Arbeitsmarkt fehlen nicht nur so viele talentierte Frauen – es ist mir auch ein persönliches Anliegen, ein Vorbild für meine Kinder und die neue Generation zu sein. Ich möchte es normalisieren, dass sowohl Papa als auch Mama einen großartigen, wichtigen Job haben können, wenn sie es möchten.  

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